Die Spezialradmesse 2003
Mai 2003. Von Rainer Zenz
Die Germersheimer "Spezi" ist tatsächlich speziell. Die Aussteller sind es, die Besucher, die Hallen, die Stadt und natürlich die Räder.
Kleine Heimatkunde
Germersheim ist eine pfälzischen Kreisstädtchen mit etwa 20.000 Einwohnern. Davon leben vielleicht 5.000 in der Altstadt, die von einem etwas kafkaesken, drei Kilometer langen Festungsring aus der Mitte des 19. Jahrhunderts umgeben ist. Da galt es noch den Franzmann abzuwehren! Für Jahrzehnte kam auf jeden der damals 3.000 Bürger ein Soldat. Nach dem 1. Weltkrieg wurde ein Großteil der Wälle, wie im Versailler Vertrag gefordert, geschleift - die Festungsbauten sind dennoch allgegenwärtig. Innerhalb des Rings stehen meist jahrhundertealte, kleine Häuser, die mit freundlicher Unterstützung des Germersheimer Baumarkts auf den Stand der Zeit gebracht wurden.
In der monumentalen Seysselkaserne befindet sich heute der ausnehmend friedliche Fachbereich "Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft" der Mainzer Gutenberg-Universität, der für eine überraschende Internationalität der Bevölkerung sorgt. Dazu kommt noch ein nahegelegenes Depot der US-Army. Das wird die Hotelwirtin im benachbarten Lingenfeld gemeint haben, als sie anmerkte, Germersheim habe einen schlechten Ruf in der Gegend ... Schließlich haben die Franzmänner und andere Fremdlinge die örtliche Gastronomie (vermutlich im Handstreich) so gut wie komplett übernommen. Ein anständiger Saumagen ist in Germersheim kaum zu finden.
Nördlich, Richtung Speyer, gibt es übrigens sehr erfreuliche Radwege auf den Dämmen um den Altrhein herum.
Die Messe
Als Messehallen dienten Stadt- und Sporthalle sowie erstmals die Mensa der Universität in unmittelbarer Nachbarschaft. Dazu kamen noch ein Parcour, in dem man viele Räder (leider nur immer im Kreis herum) probefahren konnte und der Vorplatz, wo ebenfalls Probefahrten möglich waren. Dort gab es auch einen informellen Gebrauchtmarkt. Für den Parcour mußte man elend lange anstehen, außer in der letzten Stunde am Sonntag.
Verglichen mit "normalen" Messen machten die Hallen einen etwas chaotischen Eindruck. Kaum einer der 67 Aussteller hatte so etwas wie einen abgegrenzten Messestand und die Verhältnisse waren ziemlich beengt. Es erninnerte ein bißchen an einen Fahrradparkplatz vor dem Bahnhof. Eigentlich sympathisch, nur ungünstig zum Fotografieren.
Die Spezi ist eindeutig eine Publikumsmesse. Am Samstag war sie von Schraubern, Tüftlern und Fahrradaktivisten bevölkert, am Sonntag mehr von neugierigen Familien aus der Umgebung. Zur ersten Fraktion gehören mehr oder weniger auch die Aussteller, so daß die wenigen Geschäftsmänner im Anzug etwas deplaziert wirkten.
Nach Schätzungen des Veranstalters, Haasies Radschlag, hat die Spezi dieses Jahr mit 5500-6000 Besuchern einen neuen Rekord aufgestellt.
Echte Neuigkeiten für Faltradler gab es dieses Jahr nicht. Acht Anbieter waren vertreten:
Riese und Müller schickte das vor kurzem in Friedrichshafen vorgestellte Frog in den Parcour (es soll sich ziemlich schwammig fahren).
Bernds bot ein neues, allerdings nicht faltbares 20"-Tandem mit einem Einrohrrahmen in Coladosen-Stärke und tiefem Durchstieg auf Tretlagerhöhe.
Aiolos zeigte den bekannten Prototyp seines vollgefederten Falttandems Duolite und das jetzt lieferbare Trilite. Dieses (auf Wunsch) ebenfalls vollgefederte Liegedreirad läßt sich bemerkenswert klein zusammenfalten (79 x 50 x 33 cm). Das ist kaum größer als ein Brompton!
Ein paar Meter weiter stellte Radnabel den Sieger des letztjährigen Faltlieger-Wettbewerbs vor, den ATL-Falter. Mehr ein Sessel- als ein Liegerad, dessen Faltmechanismus deutliche Anleihen beim Brompton nimmt. Das Rad ist jetzt in Produktion.
L & H, der Importeur des Moulton, servierte Sekt, aber keine Sensationen. Zum Trost konnte man ein Moulton New Series aus der Nähe bewundern.
Premiere auf der Messe hatte Velodoctor als Importeur des Bike Friday. Sie hatten einen exponierten Standort auf der Bühne der Halle 1. Wenn auch der Versuch des Ausstellers, das Friday in seinen Koffer zu stopfen, nicht ganz gelang (sagen wir mal: Vorführeffekt), war es doch ein gelungener Einstieg. Der Stand war die ganze Zeit gut besucht und die Testfahrer zu Recht beeindruckt von den Fahreigenschaften.
Gleich nebenan war der Stand von Pacy mit einem neuen, sehr schön gearbeiteten 28"-Faltrennrad. Ein 20"-Prototyp stand etwas verschämt in der Ecke - da wird noch heftig dran gearbeitet. Der Rahmen soll geändert werden und ein hochgeheimer Faltlenker ist in Arbeit. Das sieht vielversprechend aus.
Brompton bzw, der Importeur Voss, war auf der Messe leider nicht vertreten, einzig Junik mit dem Liegerad-Umbausatz hielt tapfer die Stellung.
Eigentlich war der Vorplatz der spannendste Ort. Da konnte man allerlei Eigenbauten sehen und interessante bis fragwürdige Konstruktionen ausprobieren oder die Versuche, sie zu fahren, beobachten. Auch die Kommentare älterer einheimischer Ehepaare waren nicht ohne Reiz.
In der Stadt konnte man am Freitag vor der Messe noch einem kleinen, älteren Herrn begegnen, der mit einem interessanten selbstgebauten 12"-Faltrad unterwegs war. Leider ging eine Lötstelle zu Bruch und es bot sich keine Gelegenheit mehr, das gute Stück zu fotografieren. Vielleicht können wir ihn noch aufspüren - der Mann hat neun Falträder entworfen und gebaut!
Das kurzfristig improvisierte Faltradler-Treffen war ein voller Erfolg - ein netter, langer Abend mit ungefähr einem Dutzend Leuten, darunter einige Aktivisten aus dem Bromptonauten-Forum. (So sehen die also aus ...) Mitgebracht hatten sie Birdys, Bromptons, ein Moulton AM und ein Bridgestone Picnica (bzw. dessen Vorläufer). Wegen des anhaltenden Regens ging die Tour direkt ins nächste freie Wirtshaus. Also bis zum nächsten Jahr, Samstag 18:30 Uhr vor Halle 1.
Weitere Berichte gibt es im Forum.
Spezialradmesse
Fotos von Christoph Moder
Fotos von Hanno Hirsch (HPV)
Stadt Germersheim
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