Besonderheiten bei Falträdern
Christoph Moder
Die meisten Besonderheiten ergeben sich aus der kleinen Radgröße:
Schlechter Geradeauslauf, gute Wendigkeit: Die Drehimpulserhaltung bewirkt die Fahrstabilität. Kleine Räder haben nur einen geringen Drehimpuls, weil erstens die Masse näher am Drehpunkt ist und zweitens die Masse geringer ist (ein kleines Rad ist leichter als ein großes), auch wenn sich das Rad schneller als ein großes Rad dreht. Das bedeutet: Mit dem Brompton ist es praktisch unmöglich, freihändig zu fahren. Andererseits ist diese Wendigkeit gerade in der Stadt nicht schlecht. Physikalisch: Für den Drehimpuls gilt: L = I * w = r^2 * m * w (I: Trägheitsmoment, I = r^2 * m für eine Punktmasse; r = Entfernung zum Drehpunkt, m = Masse; w = Winkelgeschwindigkeit), d.h. die geringe Entfernung zum Drehpunkt geht quadratisch ein, die geringe Masse geht linear ein, und diese beiden Effekte sind deutlich stärker als die höhere Winkelgeschwindigkeit, die den Drehimpuls nur linear beeinflusst. So genial die Wendigkeit oft ist, sie hat auch Nachteile: ein wegrutschendes Rad (z.B. durch blockierende Bremsen) ist viel schwerer zu beherrschen. Während man mit einem Trekkingrad problemlos Vollbremsungen machen kann, sollte man mit dem Brompton das nur bei trockenem Wetter und griffiger Fahrbahn machen, sonst stürzt man leicht. Und wenn man stürzt, passiert auch das viel schneller: während man auf einem normalen Fahrrad den Sturz kommen sieht, liegt man beim Brompton bereits auf dem Boden, bevor man irgend etwas davon wahrnimmt.
Hohe Beschleunigung: Ergibt sich auch aus dem geringen Drehimpuls/Trägheitsmoment. Wo wenig Energie in den Aufbau von Rotationsenergie gesteckt werden muss (Rotationsenergie = I * w^2 = L * w, also direkt proportional zum Drehimpuls/Trägheitsmoment), bleibt mehr Energie zur (linearen) Beschleunigung. Das bedeutet: Wenn die Ampel grün wird, hängt man alle anderen ab.
Problematisch an Bergen: Weil die Räder eine geringere Rotationsenergie haben, bleiben sie schneller stehen. Man kann also in hügeligem Gelände nicht einfach dahinrollen, bergab Schwung holen und damit wieder ein ganzes Stück bergauf rollen, sondern man hat bei gleicher Geschwindigkeit wesentlich weniger Schwung. Dieser dauernde Wechsel zwischen schneller und müheloser Bergabfahrt und anstrengender Bergauffahrt ist anstrengender als mit einem normalen Fahrrad (mit dem beschleunigt man bergab nicht so sehr und wird dafür bergauf nicht so schnell langsamer).
Unrundere Fahrweise: Ergibt sich ebenfalls aus dem geringen Trägheitsmoment der Räder. Wenn die Pedale waagerecht stehen und man auf jeweils eines von ihnen Kraft ausüben kann, verrichtet man Beschleunigungsarbeit, man spürt einen immer geringeren Tretwiderstand, aber wenn die Pedale senkrecht stehen und man überhaupt keine Kraft ausüben kann, wird es wieder langsamer, der Tretwiderstand steigt. Das merkt man vor allem an Bergen, weil dort das Fahrrad bei jeder Pedalumdrehung stärker abgebremst wird, es fährt sich unrunder, man kommt leichter in Versuchung, aufzustehen und im Wiegetritt zu treten. Aber diese Art zu fahren ist natürlich ziemlich Kraft raubend. Man gewöhnt sich aber bald an, schneller zu treten, gewissermaßen hochtouriger zu fahren (deshalb dürfen Falträder etwas stärker untersetzt sein als normale Fahrräder); dadurch muss man weniger Kraft auf die Pedale ausüben, und pro Pedalumdrehung kann das Faltrad nicht so stark abbremsen, es läuft runder. Vielleicht wundert man sich, warum man das Brompton zwar ganz gut freihändig schieben (d.h. nur am Sattel schieben), aber nicht fahren kann: Das liegt am Nachlauf des Vorderrades (d.h. wie weit das Steuerlager hinter der Nabe liegt, weil die Ausfallenden der Gabel nach vorne gebogen sind). Der Nachlauf ist ähnlich groß wie bei normalen Fahrrädern, daher kann man das Brompton gut schieben, weil dies bei geringen Geschwindigkeiten der dominierende Effekt ist. Wenn man dagegen fährt, braucht man mehr Stabilität und damit mehr Geschwindigkeit. Und dann ist das Trägheitsmoment der Räder der dominierende Effekt, und dieses ist beim Brompton deutlich kleiner als bei einem normalen Fahrrad.
Größere Empfindlichkeit bei Bodenunebenheiten: Bei kleinen Rädern ist wegen der stärkeren Krümmung der Lauffläche der Winkel, den die Verbindungslinie zwischen der Bodenunebenheit und Auflagepunkt des Rades auf dem Boden mit der Straße einschließt, größer als bei einem größeren Rad, man fährt also gewissermaßen steiler auf die Unebenheiten drauf bzw. steiler in Schlaglöcher hinein. Außerdem sinken kleine Räder in kleinen Schlaglöchern tiefer ein. Andererseits ist bei kleineren Rädern mehr Platz übrig, eine Federung einzubauen.
Stärkere Abnutzung: Reifen und Felgen verschleißen schneller, weil sie eine kleinere Fläche haben, die Belastungen verteilen sich also auf weniger Material (für die gleiche Strecke muss sich ein kleines Rad viel öfter drehen). Und z.B. auch bei einer langen, steilen Abfahrt erhitzen sich die Felgen beim Bremsen schneller. Und die nötige größere Übersetzung der Kette kann eine stärkere Abnutzung bewirken; bei Kettenschaltungen kommt noch hinzu, dass die kürzere Kette einen größeren Schräglauf hat. Seltsamerweise gehen auch die Reifenflanken sehr viel schneller kaputt. Während man bei einem normalen Straßenrad durchaus etliche tausend Kilometer fahren kann, bis der Reifen wegen zu geringem Profil ausgetauscht werden muss, ist beim Brompton lange vorher (teilweise gut 1000 km) schon die Reifenflanke beschädigt und zwingt zum Austausch. Als Gründe kann ich nur vermuten: erstens ist das Rad wendiger, man fährt engere Kurven und übt so größere Kräfte auf die Flanken aus, und zweitens verteilen sich die Kurvenkräfte auf weniger Reifenumfang.
Geringeres Gewicht, größere Stabilität der Räder: Die Räder sind kleiner, also wird für Felge
und Speichen weniger Material gebraucht. Die stärkere Krümmung der Felge und die Tatsache, dass die Speichen bei gleicher Dicke nicht so lang sind, erhöht die Stabilität. Allerdings sind kurze Speichen nicht so elastisch und schlucken deshalb Stöße nicht so gut.
Fahrwiderstand: Bei geringer Geschwindigkeit dominiert der konstante Rollwiderstand, ab ca. 25 km/h wird jedoch der Luftwiderstand bedeutender, der quadratisch mit der Geschwindigkeit steigt. Bei einem Fahrrad, das man v.a. im Stadtverkehr benutzt, kann man den Rollwiderstand also nicht vernachlässigen.
Folgende Dinge reduzieren den Rollwiderstand:
- große Räder (siehe ãEmpfindlichkeit bei Bodenunebenheiten; der Rollwiderstand ist ungefähr umgekehrt proportional zur Radgröße)
- hoher Luftdruck im Reifen, steifes Reifenmaterial (reduziert die Auflagefläche auf der Straße)
- breite Reifen (die Auflagefläche, die gleich groß wie bei schmalen Reifen ist, ist kürzer und breiter, dadurch sinkt der Abrollwiderstand, der entsteht, weil der Reifen ständig über den Gummiwulst am vorderen Ende der Auflagefläche fahren muss - bei einer kürzeren Auflagefläche ist der Wulst kleiner)
- elastisches, dünnes Reifenmaterial (reduziert die Walkarbeit)
Folgende Dinge reduzieren den Luftwiderstand:
- kleine Räder
- schmale Reife
- wenig Profil (zu beachten: auf der Reifenoberseite bewegt sich das Profil immerhin mit der doppelten Fahrgeschwindigkeit gegen die Luft, d.h. bei gleicher Fläche und gleichem cW-Wert ist der Luftwiderstand auf der Reifenoberseite viermal so groß wie an einem entsprechenden Teil, das fest am Rahmen ist)
Weitere Besonderheiten: Kleine Räder bremsen bei Nässe besser, weil das Wasser schneller von den Felgen entfernt wird (die Fläche, die nass wird, ist kleiner).
Man kann leichter auf das Rad aufsteigen, wenn die Räder klein und damit der Rahmen niedrig ist. Und auch bei einem Sturz wird man nicht unbedingt mit dem Rad umgerissen, sondern kann leichter absteigen.
Oft kann man wegen der Rahmenkonstruktion die Räder bequemer warten; z.B. kann man das Brompton so aufstellen, dass sich beide Räder frei drehen können, ohne zusätzlichen Ständer.
Es kann leichter passieren, dass man in einer Kurve mit den Pedalen den Boden berührt. Daher: in engeren Kurven nicht treten, sondern das Pedal auf der Kurveninnenseite oben halten.
Ein Teil dieser Argumente stammt aus dem sehr empfehlenswerten Buch "Das Modul-Bike" von Gunnar Fehlau, Moby Dick Verlag, Kiel 1997, ISBN 3-89595-113-7. Das Buch ist nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Es wird aber noch über den Fahrradhandel vertrieben.
Weitere Informationen von Tony Hadland (in englisch)
Nach oben
|